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Eine Frage von Raum und Zeit

Ausstellungsrundgang "Radiant" im Museum für Internationale Lichtkunst

Installation Signes von Playnode im Museum für internationale Lichtkunst Unna
Playnode Studio: Signes
(Bild: CH3)

Nimm 2

Die Ausstellung im Zentrum für internationale Lichtkunst Unna gliedert sich thematisch in zwei Bereiche:

  • Dauerausstellung mit Werken namhafter Künstler, wie James Turrell, François Morellet, Mischa Kuball, Olafur Eliasson, um hier nur einige zu nennen sowie
  • Sonderausstellungen, wie derzeit "Radiant"

Empfehlenswert ist eine Besichtigung in wenigstens zwei Etappen, denn die aktuelle Ausstellung Radiant erfordert in besonderem Maße Zeit. Die bereits in einem Beitrag vom 23.04. vorgestellten Werke sind dynamisch und folgen einer zeitlichen Choreografie, die erst in voller Länge ihre Wirkung enfalten kann. Die Wirkung wiederum auf die Sinne ist so intensiv, dass für Interessierte an der Dauerausstellung ein weiter Besuch ratsam ist.

Row von Tundra in der Ausstellung Radiant des Zentrums für internationale Lichtkunst in Unna
Tundra: Row
(Bild: CH3)

Für eine Besichtigung ist eine verbindliche Ticketbuchung erforderlich. Dazu gibt es:

  • offene Begehungen
  • Radiant-Führungen
  • Familienführungen
  • Fotoführungen

Eine Führung dauert etwa 1 1/2 Stunden und genau so viel Zeit kann man sich allein für die 3 Radiant-Installationen gönnen.

Nimm Zeit

Ein guter Einstieg ist die Installation Anima von Nick Verstand aus verschiedenen Gründen. Sie ist vielleicht das am wenigsten "spektakuläre" Werk, was Licht- und Toneffekte angeht, entfaltet aber eine umso subtilere Wirkung auf Betrachter, die sich Zeit nehmen.

Zu sehen ist eine im Raum hängende planetare Kugel, deren Oberfläche sich zu schwebenden Klängen ständig verändert. Die Strukturen erinnern gelegentlich an Formationen von Wolken oder Meereswellen. Die Veränderung basiert auf einem verhaltensbasierten Prozess und gliedert sich in mehrere Szenen unterschiedlicher Farbspektren. Während des Besuchs der HIGHLIGHT-Redaktion herrschte ein eher dämmriges Szenarion vor, bei dem sehr deutlich wird, wie bedeutend der Zeitfaktor für die Wahrnehmung ist.

Anima von Nick Verstand in der Ausstellung Radiant des Zentrums für internationale Lichtkunst in Unna
Nick Verstand: Anima
(Bild: CH3)

Die Rezeptoren in unserer Netzhaut benötigen allein mindestens eine viertel Stunde, um sich an das eher dämmrige Szenario anzupassen. Hier darf man es also ganz gemütlich angehen lassen und sich z. B. auf einem der bereitligenden Sitzsäcke bequem niederlassen. Manche Besucher legen sich auch direkt unter die Kugel und nehmen so mit dem hypnotischen Eigenleben des Lichtkunstwerks eine Verbindung auf.

Die zwei folgenden Werke lassen es zeitweise richtig krachen, daher die Empfehlung von Anima als erste Station. Die empfohlene Reihenfolge trifft keine Aussage über die Qualität.

Als nächstes empfiehlt sich ein Gang zur Installation Row des internationalen Künstlerkollektivs Tundra. Es ist zunächst vollkommen unbegreiflich, was hier zu sehen ist bzw. wie das Gesehene zustande kommt. Lichtblitze und rot-weiße Strahlensamples schwirren durch den Raum. Dazu passende elektronische Musik erklingt mit einem Ventilator-Geräusch als Hintergrund?

Row von Trundra in der Ausstellung Radiant des Zentrums für internationale Lichtkunst in Unna
Tundra: Row
(Bild: CH3)

Nach einer Weile entpuppt sich die Installation als Hologramm-Projektion. Deren Lichtpunkte befinden sich auf rasend schnell rotierenden Lichtbändern, die an einer Reihe von Rotoren befestigt sind. Während bei Anima die audivisuelle-Wirkung im Vordergrund steht und die Technik vollkommen unsichtbar bleibt, treffen die Betrachter bei Row auf sichtbar ausgefuchste Licht-, Elektronik- und Steuerungstechnik auf höchsten Niveau.

Die Technik ist dennoch nur Mittel zum Zweck und multimediales Instrument für das Künstlerkollektiv Tundra, dem es auf bisher nicht gesehen Weise gelingt, Lebendigkeit und Dynamik in den Raum zu bringen. Selbst wenn die Technik verstanden wird; die Magie des etwa 15-minütigen Loops bleibt davon unbeeinträchtigt und manche Besucher genehmigen sich noch eine weitere Runde.

Tipp: Die Installation wird meist von der Seite betrachtet. Eine besondere 3D-Wirkung entsteht jedoch, wenn man sich direkt vor die Rotoren-Reihe stellt und in die Projektion hineinschaut.

Signes von Playnode Studio in der Ausstellung Radiant des Zentrums für internationale Lichtkunst in Unna
Playnodes Studio: Signes
(Bild: CH3)

Die Installation Signes des Projekteams Playnode Studio aus Barcelona sollte - ähnlich einer Weinprobe - die dritte und intensivste Station der Radiant-Runde werden: Hier erleben Betrachter ein Wandmosaik aus 48 rotierenden Lichtstäben, die bei elektronischen Soundcollagen eine teils meditative, teils wilde Tanzperformance abliefern. Hier sorgt ein Algorhythmus für eine Einheit von Bild, Klang und Bewegung des kinetischen Licht-Ton-Kunstwerks, das aber auch wie ein Instrument live gespielt werden kann.

Verblüffend ist die Qualität der quadratischen Leuchtstäbe, die auf den 3 sichtbaren Seiten, unabhängig von einander, harmonische Farbverläufe, messerscharfe Stroboskopeffekte, sanfte und satte Farben erlauben. Auf die Frage nach dem Hersteller gibt es von Playnodes nur ein müdes Lächeln: "Alles selbst gebaut, weil die gewünschte Qualität nicht erhältlich ist." Dieser Ansatz setzt sich bis in das Innenleben der 12 x 4 regalartig aufgestellten Kuben fort, die mit selbstentwickelten Mini-Servern, abgefahrenster Mechatronik und Elektromotoren ausgestattet, die Grundlage für dieses Multimedia-Instrumentarium bilden.

"Row" von Tundra im Zentrum für internationale Lichtkunst Unna
Tundra: Row
(Bild: CH3)

Fazit

Hier wächst eine exzellente, interdisziplinär tätige Künstler- und Ingenieursgeneration heran, die keine Grenzen des Machbaren oder der Genres kennt. Sie nutzen vorhandene Ressourcen bis zum Anschlag und weit darüber hinaus und verwirklichen ihre Visionen konsequent. Bei längerem Verweilen verblassen die Frage nach dem Wie oder Warum der Werke vollkommen: Die Betrachter bleiben einfach nur schweigend und staunend zurück - sofern es ihnen gelingt, sich dem Raum und der Zeit zu überlassen. Den Weg dorthin hatte bereits 2019 Yasuhiro Chida mit seiner meditativen Installation Myrkviðr gezeigt. Im Rahmen des International Light Art Award erreichte er in Unna zwar nur den 2. Platz, wies aber im Hinblick auf die Beziehungen zwischen Lichtkunst, Raum und Bewußtsein am deutlichsten in die Zukunft.

Über die Firma
Zentrum für Internationale Lichtkunst e. V.
Unna
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