Leuchtender Glaskubus

zurück zum Artikel
Das Haus beherbergt eine monografische Sammlung, die sich dem Lebenswerk des Malers widmet. Auf 1.100 m2 stellt das Museum Schumachers Werk in Zusammenhang mit parallelen internationalen Kunstentwicklungen und dem Umfeld seiner Zeit aus. Darüber hinaus finden regelmäßige Ausstellungen junger zeitgenössischer Künstler statt.
Als „Tor zum Sauerland“ wird die 200.000-Einwohner-Stadt Hagen gern bezeichnet und dieses Synonym lässt nicht unbedingt an Avantgarde denken. Doch entgegen nahe liegender Vorurteile flackert in der Geschichte dieser Stadt immer wieder künstlerischer Pioniergeist auf. So gelten die Hagener Impulse als wichtige Strömung innerhalb der Reformbewegung Anfang des 20. Jahrhunderts.

Hier hat Karl Ernst Osthaus das Folkwang Museum gegründet, das als weltweit erstes Museum für zeitgenössische Kunst gilt. Henry van de Velde, Peter Behrens und Walter Gropius haben in Hagen gewirkt und mit Emil Schumacher hat ein bedeutender Vertreter expressiver Malerei der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in der Industriestadt seine Heimat.

Zusammen laufen viele dieser Traditionslinien im Hagener Museumsquartier. Das über 100-jährige Osthaus Museum mit einem Anbau aus den 1970er Jahren, das 2009 eröffnete Emil Schumacher Museum und ein Neubau für Verwaltung und Gastronomie gruppieren sich um  einen innerstädtischen Platz und schaffen einen Raum für Kommunikation und Kontemplation, für Gastronomie und Veranstaltungen.

Im Rahmen der jetzt durchgeführten Baumaßnahmen erfuhr der Altbau des Osthaus Museums eine grundlegende Rekonstruktion inklusive der historischen Farbgebung. Der ergänzende Sichtbetonbau aus dem Jahr 1972 wurde ebenfalls saniert und noch einmal erweitert. Alle Gebäudeteile erhielten moderne Haustechnik und so war auch eine neue Beleuchtung gefordert. Sie sollte optimale Sehbedingungen für die Besucher gewährleisten, konservatorischen Ansprüchen gerecht werden und den energieeffizienten Galeriebetrieb erlauben.

Da sich die Lichtplaner einem Gemenge ganz unterschiedlicher Raumgeometrien gegenübersahen und Kunst in sehr unterschiedlichen Formaten ausgestellt wird, entschieden sie sich für Strahler, die sich flexibel anordnen lassen. Das heißt, alle Räume wurden mit einem wandbezogen Stromschienen-Strahler-System ausgestattet. Es kann optimal und individuell mittels großer und kleiner Strahler und unterschiedlicher Lichttechniken auf die jeweilige Ausstellung abgestimmt werden.

Leuchtender Glaskubus
Den dreistöckigen Neubau für das Emil Schumacher Museum hat das Mannheimer Architekturbüro Lindemann Architekten als Sichtbetonquader innerhalb eines Glaskubus ausgeführt; der Sichtbetonquader ist mit dem Osthaus Museum über ein gemeinsames Foyer verbunden. Über seine Glashülle stellt der Bau lebendige Bezüge zu seinem Umfeld her.

Während sich am Tage die Spiegelbilder der benachbarten Bebauung aus 150 Jahren Architekturgeschichte wie ein Layer auf die Glasfassaden legen, leuchtet das Gebäude nachts von innen heraus. Dazu werden die Sichtbetonflächen hinter der Glashaut flächig geflutet. Die Fassade erstrahlt in der von Emil Schumacher besonders geschätzten Farbe Blau.

Im Zusammenspiel mit einer inszenierenden Platzbeleuchtung durch Bodeneinbaustrahler und der Anstrahlung des benachbarten Osthaus Museums entsteht ein vitales einladendes Forum. Ein besonders spannungsvoller Blickfang ist die langgestreckte Treppenanlage des Emil Schumacher Museums. Zwischen Glashaut und Betonfassade erschließt sie das Gebäude über alle Geschosse.
Schattenfreier Helligkeitseindruck
Die Innenbeleuchtung der Ausstellungssäle war quasi schon durch die Architektur des Gebäudes definiert. Das vorhandene Glasdach bewog die Lichtplaner, die Räume im ganzen Haus durch Lichtdecken bzw. Lichtfelder zu beleuchten. Im obersten Geschoss überspannt die Tageslichtdecke den ganzen Raum. Quadratische Rahmen mit Licht streuender Spannfolie wurden so unter der Decke abgehängt, dass sie lediglich eine Haarfuge trennt.

Zwischen Folienfläche und Glasdecke sitzen Leuchten, die abhängig vom einfallenden Tageslicht geregelt werden. Bei Dunkelheit übernehmen sie allein die Ausleuchtung des Saales. Oberhalb der Glasdecke gibt es aus statischen und klimatischen Gründen noch ein begehbares Glasdach. Auf ihm ist eine dem Sonnenstand nachgeführte Lamellenanlage installiert, die das direkte Sonnenlicht ausblendet. So werden die Räume vor Überhitzung und die Kunstwerke vor schädlicher Strahlung geschützt.

Architekturintegrierte Strahler
Lichtdecken und -felder aus Spannfolie übernehmen auch in den darunter liegenden Etagen die Allgemeinbeleuchtung. Hier allerdings werden sie nur von künstlichem Licht gespeist. In einigen Bereichen ergänzt gerichtetes Licht aus Strahlern das Flächenlicht. Sie werden bei Bedarf in Stromschienen platziert und erhellen dann exakt ausgerichtet einzelne Ausstellungsobjekte.

Um die Anmutung der Museumsräume möglichst ruhig zu halten und das Ambiente nicht mit Gebäudetechnik zu beeinträchtigen, sitzen die Strahler in so genannten Slots. Dabei handelt es sich um von unten nur als schwarze Schlitze sichtbare Kanäle, in denen die Leuchtenköpfe komplett verschwinden - allerdings so, dass ihr Lichtaustritt nicht behindert wird.

Resümee

Diese leistungsfähige und flexible, aber formal äußerst reduzierte Lichtlösung schafft Ausstellungsräume mit der Anmutung von White Cubes – für die bei vielen Werken Emil Schumachers sehr expressive Farbigkeit und Materialität stellen sie die perfekte Bühne.

Das diffuse Licht aus den Lichtdecken erzeugt auf effiziente Weise einen schattenfreien Helligkeitseindruck im Raum. Zusammen mit dem gerichteten Licht aus den Strahlern herrschen beste Wahrnehmungsbedingungen für die Gemälde, Gouachen, Grafiken, die Keramiken und die Malerei auf Porzellan und Schiefer, welche die kostbare Sammlung des Emil Schumacher Museums ausmachen.

Weitere Infos


Bauherr:
Stadt Hagen, Fachbereich Immobilien, Wohnen und Sonderprojekte – 23/ESM

Nutzer:
Regionalverband Ruhr

Architekten:
Lindemann Architekten, Architektur und Stadtplanung, Mannheim

Lichtplanung:
Licht Kunst Licht, Bonn / Berlin

Projektgröße:
Nutzfläche 3.676 m2, Bruttogeschossfläche 7.664 m2

Auszeichnungen:
- GE Edison Award of Excellence 2009

Hersteller –  eingesetzte Leuchten (Auszug):
Erco –  Stromschienen, Strahler, Downlights
Rentex – Lichtdecken
We-ef – Außenleuchten/Baumstrahler

Fotos
Lukas Roth, Köln
Newsletter

Das Neueste von
HIGHLIGHT direkt in Ihren Posteingang!