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LichtRegion: Positionen und Perspektiven im Ruhrgebiet

Ist Licht doch letztlich einer der wichtigsten Bausteine der Stadtgestalt, nein eigentlich des Lebens an sich. Und so weisen die Herausgeber mit recht schon im Vorwort darauf hin, dass die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Licht eher hinkt. Einleitend gehen die Herausgeber auf die Frage ein, ob Künstliches Licht, in Bezug auf das Ruhrgebiet, denn ein Indikator kultureller Identität sein kann.
Mehrfach wird auf die Basisarbeit der IBA hingewiesen, die die Grundlagen für eine etwaige Identität dieser Art sicherlich gegeben hat. Auch der Hinweis auf die hohe Anzahl von Lichtinstallationen im öffentlichen Raum des Ruhrgebiets, von denen viele erst nach der IBA entstanden sind, zeigt Basisarbeit aus der man mehr machen könnte. Die Darstellungen von Für und Wider sind nachvollziehbar und zeigen eigentlich, wie viele Baustellen das Ruhrgebiet hat und hier sind wir nur beim Thema Licht.

Es bleibt Vieles offen, weil es ein Zustandsbericht ist. Berechtigt, denn es wird seine Zeit dauern bis aus den Fragezeichen Ausrufezeichen werden. Ein gutes Beispiel ist dabei der Absatz (ab Seite 11 unten), der auf die Möglichkeiten der Nachtgestalt in Bezug auf die Kulturhauptstadt 2010 hinweist. Leider war der Text ja schon vor Ablauf des Kulturhauptstadtjahrs geschrieben, sonst hätte man gut auf die weniger erfolgreiche Nutzung der Chance zum Thema Licht hinweisen können.

Gut erscheint  zunächst auch die Themenaufteilung mit ihren Blocküberschriften „Rückblicke und Ausblicke“, „Einsichten und Ansichten“, „Ahnungen und Planungen“. Und überhaupt ist gegen eine Vielzahl unterschiedlicher
Ansätze und Perspektiven gar nichts zu sagen, obwohl sie in individueller Betrachtung ein wenig zu breit gestreut sind und in Einzelbereichen zu sehr auf einen Punkt gebracht. So ist die „ Verwendung von Licht als künstlerische Intervention im regionalen Kontext“ (Manfred Walz, Dennis Köhler, Mischa Kuball) eigentlich ein Thema, das inhaltlich mehr verträgt als ein Gespräch mit einem einzelnen Vertreter aus der Künstlerszene.
Auch der Rückblick auf einen ersten Versuch zu einer regionalen Lichtskulptur am Beispiel des NachtTagPanoramas (Manfred Walz) erscheint zu individuell, zeigt allerdings auch wie viel man in ein Projekt hineininterpretieren kann, das dem Betrachter wohl für immer ein Geheimnis bleiben wird. Dies gilt zweifellos nicht ausschließlich nur für die beschriebene Lichtskulptur. Die Reise durchs Ruhrgebiet, (Gerd Kivelitz) als folgender Exkurs, scheint hingegen tatsächlich Rückblick und Ausblick zu vereinen, leider mit weitaus weniger Worten als die Beschreibungen zuvor.

Weiter geht es mit der „Schönheit des Nachthimmels“, (Ferdinando Patat)  zweifelsohne eine beachtliche Beschreibung des natürlichen Lichtspektakels, an dem sich unsere Vorfahren Jahrhunderte intensiver erfreuen konnten, als wir das heute können. Heute hingegen scheinen nur noch wenige in den Genuss zu kommen, die Ursprünglichkeit des Lichts in etwa nachvollziehen zu dürfen, darunter sind vor allem Astrophysiker und Astronomen.

Mit Recht wird der überdimensionale Gebrauch von künstlichem Licht kritisiert und als Lichtverschmutzung betitelt. Es ist eben ein Spagat, die optimale Lösung zu finden und das Gleichgewicht zwischen Dunkelheit und Licht so zu schaffen wie der Erdenbürger es
unter Berücksichtigung aller Wünsche gerne hätte. Insofern sind die goldenen Regeln für astronomiefreundliche Außen- und Straßenbeleuchtung halt nur golden für die Freunde dieser Regeln. Insbesondere bei Natriumdampf -Niederdrucklampen und Natriumdampf-Hochdrucklampen kann man mehr als geteilter Meinung sein. So gibt es Studien, die darauf hinweisen, dass die gefühlte Helligkeit bei gelbem Licht deutlich niedriger ist und das insbesondere
Menschen über 45 Jahre prozentual mehr gelbes Licht als weißes benötigen, um sich sicher zu fühlen. Wobei wir schon beim nächsten Kapitel wären, nämlich den chronobiologischen und gesundheitsrelevanten Wirkungen des Lichts auf den Menschen (Barbara Griefahn,Veronika Kretschmer, Franz Hölker). Sowohl dieses Kapitel als auch das nächste mit dem Titel: Sehen bei Dämmerung : Physiologische und psychologische Aspekte (Rainer Guski), sind  Kapitel, die auf den Menschen in seinem Aufbau eingehen, auf seine Reaktionen und
körperlichen sowie  psychischen Veränderungen, die alle mit dem künstlichen Licht zu tun haben können. Eigentlich sind es diese beiden Kapitel, die uns im Buch klarmachen, dass der Mensch an sich dumm ist. Wir sind nun mal keine Nachtgeschöpfe, keine Eulen oder Katzen mit so was wie „Restlichtverstärker“, die es uns ermöglichen, bei erheblicher Dunkelheit immer noch alles kontrollieren zu können. Gemessen an den Augen mancher Tiere ist unser „Guckapparat“ doch eher schwach ausgebildet.

Da unser Kopf aber ja der einzige denkende in der Natur ist, maßen sich Menschen nun mal an, auch die Nacht für sich in Anspruch zu nehmen, und das zunehmend mehr. Um so wichtiger sind diese Kapitel, um auf die menschlichen Schwächen hinzuweisen.
Diese werden in ihrer  Maßlosigkeit in Bezug auf den Umgang mit Licht im öffentlichen Raum im Stadtbild der Nacht am Beispiel eines abendlichen Gangs durch die Metropole Tokio (Ryuzo Ohno, Shigeo Kobayashi) noch unterstrichen. Andere Länder, andere Sitten, könnte man natürlich sagen. Zweifelsohne ist der Inhalt des Kapitels gut auf Für und Wider abgestimmt und legt dar, was an Metropolen durchaus kritisch zu bemerken ist.

Latent schwingt aber der ewige Metropolenvergleich mit, so auch hier wieder einmal mit der selbsternannten „Metropole Ruhr“, von der wir doch eigentlich wissen, dass es sie noch nicht so richtig gibt. Gemessen daran, dass die größte  Bundesdeutsche Stadt gerade Mal 3,5 Mio. Einwohner aufweisen kann, ist es aber plausibel zu zeigen, wie es in tatsächlichen  Metropolen vorgeht. In Stadtstrukturen der Nacht: Ein abendlicher Flug über das Ruhrgebiet (Hans Blossey) wird überzeugend dargestellt, wie die Städte des Ruhrgebiets sich in der Nacht zeigen. Die Bilder sprechen ohne viele Worte für sich.
Die dritte große Überschrift Ahnungen und Planungen, beginnt mit dem Kapitel „Die Stadt und das Licht: Auf dem Weg von der zukunftsoffenen Moderne zur privaten Kontrolle von unbestimmten Räumen? (Stefan Hochstadt).  Schwere Kost, könnte man hier sagen, schlägt der Stadtsoziologe doch mit voller Wucht zu und irritiert den ggf nicht schwerekostfreundlichverdauenden Leser mit all zuviel Gedankengut aus den Ursprüngen der Stadtentwicklung in Bezug auf das Licht.
Zumal die Fragestellung hier in vielen Punkten auch Fragestellung  bleibt. Ja! Es ist ein wissenschaftliches Buch und da gehört so was nun mal auch hinein. Da es auch ein Arbeitsbuch sein will, bleibt aber die Frage, wer denn die Arbeitenden sein sollen. Im nächsten Kapitel geht es um Lichtprojekte und ihren Beitrag zur Stadtimagebildung. (Thomas Hackenfort) Wobei intensiv auf die Fakten eingegangen wird, die generell den Imagewandel des Ruhrgebiets begleiten.

Diese werden durchaus kritisch analysiert und zeigen in der Begutachtung, dass man halt immer noch auf dem Weg ist, sich selbst zu finden und dabei einiges ausprobieren muss. Und wie das so ist beim Ausprobieren kann man schon mal  übers Ziel hinausschießen. Besonders schön sind dabei die Hinweise auf die „Heiligsprechung“ einiger Ruhrgebietsorte, um damit in die erste Liga der Weltanschaulichkeiten zu gelangen.

So wird von einem Neuschwanstein des Ruhrgebiets, welches nicht in Sicht ist, gesprochen und auf „Kölner Dome des Ruhrgebiets“ hingewiesen, zu denen manche Industriedenkmäler verklärt werden. Auch die Lichtprojekte an sich kommen nicht allzu gut weg, was verständlich erscheint, da immer mehr temporäre Festivals mit  Licht gestaltenden Künstlern eine ursprüngliche Idee, mit Licht Zeichen zur Identifizierung zu setzen überzeichnen.

Mit Recht bleibt die kritische Anmerkung bezüglich des Erscheinungsbildes der Region bestehen und das auch in Bezug auf den Umgang mit Licht im stadtplanerischen und städtebaulichen Sinne. Künstliches Licht im öffentlichen Raum als Aufgabe der Stadtplanung : Der Weg zu einer integrierten Lichtplanung. (Dennis Köhler) Hier wird im Wesentlichen der Kern der Sache angesprochen. Schließlich bezieht sich das Buch ja auf die „LichtRegion Ruhrgebiet“. Die Darstellung dessen, was gemacht wurde und was man machen sollte, ist lobenswert. Man erkennt hier die intensive Auseinandersetzung mit dem Thema Licht. Vor allem unter dem Aspekt, was man mit diesem „Baustein“ alles machen kann, wenn man es richtig angeht.

Sicherlich schwingt immer auch eine Portion Idealismus mit, die man aber haben muss, wenn man derartige Maßstäbe an die Stadtgestalt anlegen möchte. Gleichwohl zählt der positive Eindruck für das letzte Kapitel im Buch , das den Ansatz zum Konzept einer regionalen Lichtgestalt (Dennis Köhler, Manfred Walz) beschreibt. Hat man erst verstanden, wie mit Licht in einer Stadt umzugehen ist, wird es hoffentlich im Verbund zeigen, was eine regionale Lichtgestalt darstellen kann. Hier kann sicherlich auch der Erfahrungswert des Miteinander aus dem Kulturhauptstadtjahr 2010 gut zu beitragen. Gut so, kann man am Ende sagen, gut so, dass es ein solches Buch gibt.
Peter Brdenk

Weitere Infos


Broschiert:
240 Seiten

ISBN-13:

978-3837504040

Verlag:
Klartext Verlagsges. mbH
Peter Brdenk - www.peterbrdenk.de
Klartext Verlag - www.klartext-verlag.de
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